Wenn es überhaupt ein typisches, ein Bilderbuch-Beispiel gar für eines jener berühmten und oft beschriebenen Weißen Dörfer Andalusiens gibt, so ist dies die 12.000-Seelengemeinde Vejer de la Frontera im Westen der Provinz Cádiz, nur etwa knapp eine halbe Autostunde von Cádiz Stadt entfernt. Von Barbate aus sind es nach Vejer de la Frontera etwa 12 Kilometer, aber auch die Orte Conil de la Frontera und Chiclana de la Frontera liegen mit ca. 30 Kilometer Entferung in einer guten Reichweite. Der Besuch in Vejer, das schon 1978 den nationalen Wettbewerb „Schönstes Dorf Spaniens“ gewann, ist ein Muss für jeden Costa de la Luz Reisenden. Gleichzeitig bietet sich der Ort als idealer Ausgangspunkt für eine mehrtägige Autoreise durch die Weißen Dörfer im Hinterland der Provinz Cádiz an.
Eine Reise durch Vejer
Regungslos und schweigend sitzt die Gruppe alter Männer auf einer weißen Steinbank, im Schatten der alten Stadtmauer, mit deren Bau schon während der nordafrikanischen Besatzungszeit im X. Jahrhundert begonnen wurde. Das harte, entbehrungsreiche Landleben der andalusischen Felder hat tiefe Furchen in den braun gegerbten Gesichtern hinterlassen. Und jetzt geben sich diese ruhigen, verschwiegenen Männer der wohlverdienten Kunst des Müßigangs hin, tun einfach nichts, außer den kühlenden Mittagsschatten zu genießen. Dabei wirken sie so glücklich, so entspannt, so abslolut ausgeglichen und zufrieden, dass der Reisende sich wünscht, ihnen das Geheimnis dieser Glücksseeligkeit entreißen zu dürfen, um es nur ganz allein für sich zu behalten. Gleich nebenan, im Gemeindesaal der Dorfkirche, übt eine Gruppe junger Mädchen Flamenco, das rhythmische Tracktracktrack der Tanzschuhe mischt sich mit den Klängen einer zehnsaitigen spanischen Gitarre, die sich langsam in den engen, verwinkelten Gassen des wie eine Filmkulisse wirkenden Casco Antiguo (historischer Ortskern) von Vejer verlieren. Man spürt, dass das man nun am Ziel seiner Reisephantasien angekommen sind, im Herzen Andalusiens, dort, wo Sorgen, Stress und Hektik noch Fremdwörter sind. So, oder so ähnlich wird man den Ort Vejer de la Frontera kennenlernen und erleben.
Als wäre die Zeit stehengeblieben
Die 781 Jahre nordafrikanischer bzw. moslemischer Besatzung, deren kulturelle Blütezeit mit der Herrschaft des Emirs von Córdoba, Abd ar Rahman III. (912 – 961) begann, hier sind sie noch alltenthaltben spürbar, sowohl in der "maurischen“ Architektur, als auch in der gelassenen Mentalität der Menschen.
Wie überall auf einer Rundreise durch die Provinz Cádiz, bieten sich dem Entdecker auch in Vejer grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder man erkundet auf eigene Faust und nimmt sich einen Tag Zeit, lässt sich treiben, erkundet das enge, verwinkelte Gassengewirr oder man begibt sich in die professionellen Hände des Tourismus Büros von Vejer, das täglich organisierte Besichtigungstouren durch den Ort anbietet. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Vejer um einen ausgesprochen geschichtsträchtigen Ort handelt, der sich darüber hinaus mit der Vielzahl seiner wirklich hevorragend konservierten historischen Gebäude brüsten kann, raten wir zumindest organisationsorientierten Zeitgenossen zu dieser zweiten Variante. Das Tourismus Büro von Vejer liegt direkt am Ortsanfang, praktischerweise neben einem großen, kostenlos nutzbaren Parkplatz.
Das Tourismusbüro von Vejer
Ein Blick auf die Sehenswürdigkeiten von Vejer
Dieses wirklich tolle Service Angebot sollte man unbedingt nutzen, das Dorf Vejer lässt sich am besten zu Fuß erkunden und Parkplätze gibt es im Ortskern ohnehin nicht. Der Empfang im Tourismus Büro des Ortes ist ausgesprochen freundlich und professionell, man merkt sofort, dass Besucher hier nicht als lästiges Übel empfunden werden. Die Damen am Schalter halten ausführliches Infomaterial – auch auf Deutsch – bereit, parliert wird aber lediglich in der Landessprache oder auf Englisch. Als besonderes Service-Highlight fällt hier eine wirklich gepflegte Besucher Toilette auf. Doch nun geht´s los mit den geführten Touren stets ab dem Vorplatz des Tourismus Büros, das seinerseits schon in einem historischen Gebäude untergebracht ist, dem Palacio del Marqués de Tamarón, dem Palast des Markgrafen von Tamarón, XVII. Jh.) und nun heißt es erst mal "klettern“, ist doch Vejer von seiner architektonischen Infrastruktur her noch immer ein mittelalterlicher Festungssflecken, die sich schneckenförmig nach oben verjüngt. "Oben“, das heißt im historischen Ortskern angekommen, besuchen wir folgende Monumente.
Iglesia Parroquial del Divino Salvador
Pfarrkirche des Göttlichen Retters
Fast schon Usus im westlichen Andalusien, so wurde auch hier im Rahmen der Reconquista (Wiedereroberung der moslemischen Gebiete Andalusiens durch die katholisch dominierten nord- und zentralspanischen Königreiche bis zumXV. Jh.) der ehemaligen Moschee von Vejer eine gotische Kirche übergestülpt, in der wir drei unterschiedliche Baustile wiederfinden: Mudéjar-Stil (XIV. Jh.) sowie die zwischen dem XV. und XVI. Jahrhundert realisierten gotischen und spätgotischen Erweiterungsbauten. Unterhalb des Ost-Turmes der Kirche findet sich ein für die andalusischen Weißen Dörfer sehr typisches Marienbildnis aus sevillanischen Kacheln, in diesem Falle die Schutzheilige Vejers, die Virgen de la Oliva - Die Heilige Jungfrau von der Olive.
Vejer und sein Castillo
Eine Festung die beeindruckt
Diese den ganzen Ort dominierende Festungsanlage, mit deren Bau bereits im X. Jahrhundert begonnen wurde, ist das architektonische Sahnestück eines jeden Vejer-Besuches. Über die für den nordafrikanischen bzw. arabischen Baustil so typische hufeisenförmige Eingangspforte gelangt man in den restaurierten Innenhof der Anlage, von dort aus führt eine hinten links liegende Passage in den sogenannten Waffengang, das heißt, direkt auf die Mauern der Festungsanlage, von wo aus sich dem Reisenden ein wirklich einmaliger Blick auf Vejer und die umliegenden Täler eröffnet. Spätestens hier wird dem Globetrotter bewußt, wie sehr doch die Architektur der westandalusischen Dörfer von der unmittelbaren Nähe Afrikas beeinflusst ist.
Eine Reise durch den Ort
Vejer hat noch mehr zu bieten
Weiter gehts zum Casa del Mayorazgo, dem Majoratsgut von Vejer. Dieses beeindruckende Gebäude war ein großbürgerlicher Barock-Palast aus dem 18. Jahrhundert, dessen Innenhöfe mit dem gleichnamigen Turm kommunizieren. Das Convento de las Monjas Concepcionistas - Kloster der Guten Frauen der Unbefleckten Empfägnis, dass 1552 von einem wohlhabenden Kaufmann ursprünglich als private Begräbnisstätte errichtet, zeichnet sich die Klosterkirche durch ihr Renaissance-Portal und ihre sphärische Dachkonstruktion aus. Direkt daneben eine der sicherlich meist fotografiertesten Gassen Spaniens, Arco de las Monjas - Nonnen-Bogen, die durch ihre typisch andalusische Torbogenkonstruktion mit dem Kloster verbunden ist. Sehenswert ist auch die Stadtmauer von Vejer, die Recinto Amurralado.
Diese Mauer ist eine der besterhaltensten mittelalterlichen Stadtmauern Spaniens, die zusammen mit ihren vier Zugangstoren und drei Wachtürmen, eine Fläche von rund 4.000 Quadratmetern auf zwei Kilometern Länge einnimmt. Weiter gehts zum Plaza de España, die im XVI. Jahrhundert entstandene Plaza de España diente während der rund ersten 200 Jahre ihres Bestehens als Stierkampfarena und war somit traditionell das Zentrum des städtischen Lebens von Vejer. Daran hat sich im Grunde bis heute nichts geändert. 1957 erhielt der Platz seinen kitschig-schönen Springbrunnen aus sevillanischen Kacheln, eines der Wahrzeichen des Städtchens. Der Volksmund hat den Rathausplatz längst in "Fischleinplatz“ - Plaza de los Pescaitos umbenannt. Neben einem kleinen Hotel und einigen Kneipen finden sich hier auch Immobilien-Makler, die sich zum Teil schon gezielt ans britische Publikum richten.
Essen und Trinken in Vejer
Eine Stärkung gefällig
Wer nun, nach der Besichtigung so viel alten Gemäuers, schon Appetit bekommen hat, dem ist in Vejer ausnahmsweise einmal kein spanisches Restaurant zu empfehlen, sondern das mitten in der Altstadt gelegene Restaurant La Vera Cruz. Das La Vera Cruz ist in einer ehemaligen Kapelle aus dem XVI. Jahrhundert untergebracht, das der jetzige Besitzer in liebevoller Kleinarbeit renoviert und zum Restaurant umfunktioniert hat. Vom Preis-Leistungs-Verhältnis her empfiehlt sich auf jeden Fall das Menü, das der Cordon Bleu ausschließlich aus lokalen Produkten zusammenstellt. Das hier verwendete Fleisch stammt von Bio-Rindern aus der Region, die der Chef persönlich auswählt. Einmalig auch das Blutwurst-Eis, das, zusammen mit frisch gebackenen Blätterteig-Schiffchen, als Vorspeise serviert wird. Als Nachtisch empfiehlt sich eines der herrlich erfrischenden, ebenfalls hausgemachten Sorbets. Einzige Enttäuschung ist der Humidor des Hauses, in dem nur in Zelophan verpackte spanische Fabrik-Zigarren liegen.
Aktivitäten Vejer de la Frontera
Was man tun kann
Wie fast überall in Südspanien, so ist in der Nachmittagszeit, bis ca. 18.00 Uhr, auch in Vejer "tote Hose“. Spätestens jetzt sollte sich der Reisende wirlich ein wenig treiben lassen, zum Beispiel um einen jener wunderschönen, blumengeschmücktn Patios, die typischen andalusischen Innenhöfe zu entdecken, für die Vejer ebenfalls berühmt ist. Mit etwas Glück läuft dem Entdecker dann vielleicht sogar eine jener Frauen über den Weg, die noch die typische Tracht von Vejer, den Cobijao, tragen. Dieser besteht hauptsächlich aus einem langen, schwarzen, seidengefütterten Umhang, der Gesicht und Oberkörper komplett verhüllt, lediglich ein Auge bleibt unbedeckt. Darunter ein ebenfalls alles verhüllender, langer schwarzer Rock, so dass der Ursprung dieser Bekleidung eindeutig auf den islamischen Einfluss zurückzuführen ist. Während der Zeit des Franco-Regimes war der Cobijao übrigens verboten, da man befürchtete, Kriminelle könnten den exotischen Trachtenkittel als Maskierung missbrauchen. Zur Abrundung unseres Besuches in Vejer bietet sich noch ein Abstecher ins rund neun Kilometer entfernte Vejer Costa an. Zwischen Conil und Barbate gelegen, findet sich hier der zum Gemeindegebiet gehörende Playa El Palmar, ein knapp fünf Kilometer langer, feinsandiger, flach in den Altlantik abfallender Strand mit den üblichen Service-Enrichtungen. Hier weht, wie fast überall an der Costa de la Luz, stets eine steife Brise, was El Palmar auch traditionell bei Surfern beliebt macht.