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Villaluenga del Rosario - Blick auf das weisse Dorf in der Provinz Cadiz in Andalusien.

Villaluenga del Rosario

Hochgelegen und Einzigartig

Das Bergdorf Villaluenga del Rosario ist eindeutig ein Top-Favorit unter allen "Weißen Dörfern" im Hinterland der Provinz Cádiz. Reisende, die das echte, das ursprüngliche, noch völlig unverdorbene Andalusien kennenlernen wollen, hier werden sie es noch finden. Mit seiner einzigartigen Lage – in einer Mulde des Grazalema Gebirges, auf über 1000 Meter über dem Meeresspiegel – ist Villaluenga der höchstgelegene Ort der Provinz Cádiz und verfügt damit über ein Mikroklima, das in ganz Spanien seinesgleichen sucht: Dem kurzen Sommer, mit ausgesprochen angenehmen, niemals drückenden Temperaturen, folgt ein langer, zuweilen extrem verregneter Herbst; im Winter kann es so stark schneien, dass das Dorf tagelang von der Außenwelt abgeschnitten bleibt. Selten findet man in Andalusien einen Ort mit so viel himmlischer Ruhe, so viel guter Luft und solch freundlichen, unverdorbenen Menschen.

Ein Reise durch Villaluenga del Rosario

Ein Eindruck - Ein Reisebericht


Fast ist der Reisende versucht, das von weitem unscheinbar wirkende Bergdörfchen auf seinem Weg nach Ubrique einfach rechts liegen zu lassen, zumal selbst viele Gaditanos, dass sind die Bewohner der Stadt und der Provinz Cádiz den Ort nur vom Hörensagen kennen und daher wider besseren Wissens dazu raten, sich einen Besuch zu sparen. Als wir uns im letzten Augenblick doch dazu entschließen, den Wagen zu wenden, um nach Villaluenga del Rosario hineinzufahren, ist es schon spätnachmittags und die Sonne schickt sich bereits dazu an, hinter den hier allenthalben steil aufragenden Felswänden zu verschwinden. Wie von der Hand eines Riesen in einem langen Schwung dahingeworfen, liegen die weißen Häuschen mit ihren karminroten Ziegeldächern in diesem verlassen wirkenden Bergtal, das Ganze in ein geheimnisvolles, blassblaues Licht getaucht; angesichts der beinahe spürbaren Stille ist man versucht zu glauben, das Dorf sei ausgestorben. An der auffälligen, weil fast rechteckigen, Stierkampfarena vorbei, wagen wir uns nun über Kopfsteinpflaster ins Ortsinnere, auf der Suche nach einem Nachtquartier. Auch jetzt ist keine Menschenseele zu sehen, kein Laut zu hören. Endlich treffen wir auf eine alte Frau im geblümten Kittelkleid, die Füße in Filzpantoffeln steckend – "typical spanish“ – die uns geduldig den Weg zum nächstgelegenen Hotel erklärt. Das Zwei-Sterne-Haus La Posada ist im ehemaligen Gefängnis von Villaluenga untergebracht, das die Betreiber nun zu einem sehr originellen und geschmackvoll eingerichteten Landhotel umfunktioniert haben. Um den Zimmern wenigstens ein bisschen Knast Ambiente zu erhalten, hat man deren unverputzte Wände aus dicken Felsbrocken einfach im Originalzustand belassen. Paradoxerweise hat der Innenarchitekt auf diese Weise sogar eine gemütlich-romantische Atmosphäre geschaffen.

Wenn auch hier das sogenannte "Ehebett“ auf spanisch: Cama matrimonial, durch seine grausig weiche Matratze bedingt, eher ein potentieller Scheidungsgrund ist, so hat man im Falle der La Posada mit der Kategorisierung doch fast etwas untertrieben. Selbst in wesentlich luxuriöseren Hotels haben wir noch nie einen solch außerordentlich freundlichen, zuvorkommenden Service wie hier erfahren, dem wir ganz klar die "Note 1 mit Stern“ erteilen. Am nächsten Morgen werden wir unsanft vom blechernen Quäken eines Lautsprechers geweckt, der auf das Dach eines schon in die Jahre gekommenenen Lieferwagens montiert ist, der sich mühsam holpernd um die nächste Straßenecke kämpft: "Kommt her Mädchen, kauft den guten Knoblauch aus La Mancha, der ist so dick wie ´ne Faust, der reicht für´s ganze Jahr!...Kommt schon Mädchen, das wird euch gefallen!...Kauft den guten Knoblauch, der ist so dick wie ein Kinderkopf...!“ Nachdem wir nun ganz genau wissen, daß man in Villaluenga frisches Obst und Gemüse bis vor die Haustüre geliefert bekommt, machen wir uns auf den Weg, dem Dorf auch noch seine übrigen Geheimnisse zu entreißen.

Auf zur Entdeckungstour

Es gibt viel zu sehen

Wir beginnen unsere Entdeckungstour gleich in der Sackgasse hinter dem Hotel, in der Calle Torre, der Turmstraße. Dort stehen die Überreste der 1722 fertiggestellten Iglesia del Salvador (Erretter-Kirche), die später im Rahmen des napoleonischen Spanienfeldzuges gebrandschatzt werden sollte. Heute ist hier der Friedhof, dem Campo Santo von Villaluenga untergebracht. Der Anblick, der sich dem Reisenden bietet, ist schlichtweg atemberaubend: Über den für den Süden so typischen, strahlend weißen Nischengräbern, marmornen Kruzifixen und Madonnenfiguren erhebt sich das imposante Skelett dieses längst verstorbenen gotischen Tempels, durch dessen ehemalige Dachkuppel ein so intensiv blauer Himmel scheint, wie man ihn heute nur noch in den Bergen erleben kann. Im Zusammenspiel mit der unglaublichen, alles beherrschenden Stille, entsteht eine solch geheimnisvolle, fast mysthische Atmosphäre, dass man kaum zu atmen wagt, um die Ruhe der Verstorbenen nicht zu stören. Und so hat hier, paradoxerweise, die blinde Zerstörungswut der französischen Eindringlinge doch etwas bleibend Schönes geschaffen.

Verlassen wir nun das Campo Santo, die Calle Torre hinabsteigend, das Hotel rechts liegen lassend, um einen kurzen Abstecher im Rathaus von Villaluenga einzulegen, das quasi direkt gegenüber der La Posada liegt. In dem kleinen, gleich rechts neben dem Haupteingang gelegenen Kontor gibt uns eine junge Verwaltungsangestellte überaus freundlich und geduldig Antwort auf all unsere neugierigen Fragen, anschließend drückt sie uns noch einige Informationsblättchen (nur auf Spanisch erhältlich) und Postkarten in die Hand. So gut ausgestattet und informiert gehen wir nun weiter, zur "Hauptstraße“ des Dörfchens, der Alameda, auf deren – vom Rathaus aus kommend – linker Seite die San Miguel-Kirche, die Iglesia de San Miguel liegt, deren Ursprünge auf das 16. Jahrhundert zurückgehen. Die Alameda ist eigentlich keine Straße, sondern ein kleiner, auf der Stirnseite mauerbegrenzter Platz, auf dem Kastanienbäume kühlen Schatten spenden. Auch dieser Dorfplatz strahlt eine, in Villaluenga allgegenwärtige, fast himmlische Ruhe, einen tiefen Frieden aus; unmerklich fühlt man sich hier in eine andere, längst vergangene Zeit versetzt. Gleich neben der San Miguel-Kirche liegt die "Bar Antonio“, eine typisch altandalusische Dorfkneipe, in der es so gemütlich zugeht wie in Omas Wohnstube, schließlich ist der Chef auch schon mindestens über achtzig. An einem langen Holztisch im Nebenraum sitzt eine Gruppe Straßenarbeiter im Blaumann, die schweigend einen herrlich duftenden Eintopf löffeln. Im Hinterzimmer werden Rauchwaren verkauft, Antonios Bar ist nämlich auch gleichzeitig Estanco, also staatlich lizenzierter Tabakladen. Nur einen Katzensprung weiter, immer geradeaus, gelangen wir nun zur Stierkampfarena, dem Plaza de Toros, von Villaluenga, die durch ihre fast rechteckige Form eher an ein antikes Fußballstadion erinnert. Die relativ flache Plaza besteht aus den gleichen grauen Felsbrocken wie die Wände unseres Hotels im ehemaligen Dorfkerker. Gleich auf der Rückseite der Plaza de Toros, in der Calle Castillo, in der Schloß Straße, gibt es eine Art Aussichtsturm, dem Mirador Panorámico El Cancho Castillo, der ebenfalls aus den allgegenwärtigen Felsbrocken aufgeschichtet wurde. Von hier aus bietet sich uns ein sehr schöner Blick über das ganze Dorf.

Queso Payoyo - Der Ziegenkäse

Eine Spezialität

Zur linken, im unteren Teil des Dorfes gelegen, sehen wir schon unser nächstes Ziel, die weit über die Provinz Cádiz hinaus bekannte Käsefabrik von Villaluenga. Hier wird die Spezialität des Dorfes, der berühmte Payoyo-Ziegenkäse, der Queso Payoyo hergestellt. Im fabrikeigenen Laden erzählt uns ein fast schon unverschämt kerngesund aussehender Mittdreißiger grinsend, daß er „ein paar Mal im Jahr“ extra aus Ronda angereist kommt, um sich mit dem Queso Payoyo einzudecken, wobei er uns schwört, der Käse aus Villaluenga wirke auf ihn wie ein Jungbrunnen. Hauptbestandteil der hier produzierten Käsespezialitäten ist die Milch der Payoyo Ziege, eine Rasse, die ausschließlich im Tal von Villaluenga gezüchtet wird, von dessen saftigen Gräsern sie sich ernährt. Wir können nur bestätigen, daß die Tiere ganze Arbeit leisten, denn der von uns gekostete "Semicurado“, ein Halbgereifter schmeckt wirklich hervorragend. Vor unserem Aufstieg zur weit oben über dem Dorf liegenden Wallfahrtskapelle, die Ermita del Calvario kehren wir noch in einem nahe der Käsefabrik gelegenen Tante-Emma-Laden ein, um uns mit etwas Wasser und Sonnencreme zu versorgen. In dem kleinen Geschäft herrscht ein kunterbuntes Waren-Chaos, wie man es eben so nur in andalusischen Provinznestern finden kann. Hier gibt es einfach alles zu kaufen, und alle haben Zeit, für ein gemütliches Schwätzen, in das der Fremde gleich mit einbezogen wird. Einmal mehr fällt uns die niemals aufgesetzt wirkende, gelassene Freundlichkeit der Menschen hier auf. Graue Alltagstristesse oder durch Stress ausgelöste Infarkte und Magengeschwüre, all dies klingt in Villaluenga wie Science Fiction. Dem Besuch in der Ermita del Calvario, der Kalvarien Kapelle steht ein etwa zwei Kilometer langer Aufstieg bevor, der aber auch von weniger trainierten Entdeckern bewältigt werden kann, wenn sie sich nur Zeit dafür lassen. Das Innere der kleinen Kapelle ist extrem karg, typisch für diese bäuerlich geprägte Gegend. Dennoch ist der gläserne Sarg, in dem eine kunstvoll gearbeitete Christus-Figur aufgebahrt ist, liebevoll mit frischen Wildrosen geschmückt, wie sie in den Wäldern der Sierra de Grazalema wachsen. Auch hier flößt uns die fast greifbare Stille wieder ein gehörig Maß an Ehrfurcht vor dem Frieden und der einfachen Schönheit dieses Ortes ein.

Essen und Trinken

Eine Stärkung gefällig

Am Abend kehren wir dann im schon am Dorfausgang, Richtung Ubrique liegenden Landgasthof "La Velada“, dem Mesón Rural La Velada ein. Die Spezialität des Hauses sind Fleischgerichte, schließlich züchtet Inhaber und Küchenchef Francisco Barea sein Vieh gleich selbst, stellt unter anderem seine eigenen Serrano-Schinken her. Die Tapas, die man uns hier auftischt, sind einmalig gut, es gibt kleine Rinderfilets in Pfefferrahmsauce, auf spanisch Filetitos en salsa de pimiento, hausgemachte Kroketten, die Croquetas pucheras und wirklich beeindruckend große, ganz frisch zubereitete Albóndigas, dass sind Hackfleischbällchen in Sauce. Dazu eine frisch gezapfte Caña, ein kleines, eiskalt serviertes Bier, es ist lange her, daß wir ein Abendessen so sehr genossen haben. Später kommt die Dorfjugend auf ihren Geländemopeds angeknattert, um auf der Terasse des "La Velada“ friedlich zu flirten. Jetzt setzt sich der Chef zu uns an den Tisch und erzählt wehmütig, eine Runde nach der anderen ausgebend, von den guten alten Zeiten, die doch in Villaluenga del Rosario nie zu Ende gegangen sind.