Spanien.ch Logospanien.ch

Weinregionen Spaniens auf einen Blick – Dein genussvoller Kompass von Rioja bis Jerez

von Jonas |

Spanien ist mit über einer Million Hektar Rebfläche eines der größten Weinländer der Welt – doch die Reben wachsen hier nicht einfach irgendwo, sondern in unverwechselbaren Landschaften: auf steilen Schieferterrassen hoch über dem Duero, in windumtosten Atlantikbuchten, auf kargen Kalkhügeln der Meseta oder in sonnenverbrannten Vulkanböden der Kanaren. Jeder dieser Landstriche schenkt seinem Wein einen eigenen Akzent, der sich im Glas – und auf der Zunge – unmittelbar mit­ teilt. Damit du bei mehr als siebzig geschützten Herkunfts­bezeichnungen nicht den Überblick verlierst, nehme ich dich auf eine Reise quer durch die wichtigsten Anbaugebiete, erkläre kurz das spanische Qualitätssystem und gebe dir praktische Tipps für deine nächste Genuss­route ab Zürich, Basel oder Genf.

Spaniens Qualitätspyramide in Kürze

Ganz oben thronen die Denominación de Origen Calificada (DOCa) – bislang nur Rioja und Priorat dürfen dieses Prestigesiegel tragen. Darunter liegen die Denominaciones de Origen (DO), vergleichbar mit den französischen AOC. Noch individueller sind die Vino de Pago-Weingüter: einzelne Lagen, die dank nachweislicher Spitzenqualität einen eigenen Status erhalten. Für dich bedeutet das: Namen wie Pago de Arínzano oder Finca Élez stehen fast automatisch für Boutique-Erlebnisse.

Rioja – Ikone mit drei Gesichtern

Kaum ein Etikett weckt so viel Sehnsucht wie Rioja. Die Region teilt sich in die kühleren, höher­ gelegenen Subzonen Alta und Alavesa sowie das wärmere Oriental. Tempranillo dominiert, doch Garnacha oder Graciano setzen Würze und Frucht. Ein Glas Reserva duftet nach reifen Kirschen, Vanille und einem Hauch Zigarrenkiste – perfekt zu einer Platte Iberico-Schinken in der Logroño-Altstadt. Tipp: Steuere im Herbst das Dorf Haro an; dort kannst du während der „Fiesta del Vino“ barfuß in steinernen Bottichen Trauben stampfen – Kinder willkommen, Kameras Pflicht.

Ribera del Duero – Kraft trifft Eleganz

Zwei Autostunden nördlich von Madrid zieht sich der Duero quer durch Kastilien-León. Kalte Nächte und brütend heiße Tage lassen Trauben langsam ausreifen; das Resultat sind konzentrierte, tiefdunkle Rotweine. Viele Bodegas verstecken sich in avantgardistischen Kuben aus Stahl und Glas, die wie Raumschiffe in der Steppe landen – etwa Bodegas Portia mit ihrem Norman-Foster-Design. Ab Taxis­ ranken in Peñafiel bringen dich Weinführer direkt in die Kellerlabyrinthe aus dem 15. Jahrhundert.

Rueda – Heimat des Verdejo

Zwischen Ribera und Valladolid liegt Rueda, wo die autochthone Rebsorte Verdejo einen aromatischen Weißwein voller Limetten- und Fenchelduft liefert. Probieren solltest du die frische „Verdejo sobre lías“, die einige Monate auf der Hefe reift und so cremige Textur gewinnt – perfekt zur spanischen Fischsuppe Suquet. Viele Kellereien bieten Nacht­ lese-Touren an, bei denen du beobachten kannst, wie Trauben im Scheinwerferlicht geerntet werden, um ihr Aroma zu bewahren.

Toro – Opulenz aus alten Buschreben

Westlich der Ribera wurzeln zum Teil hundert­ jährige Buschreben der Sorte Tinta de Toro tief im Sand. Das ergibt wuchtige Weine mit schwarzer Beerenfrucht und viel Schmelz, die jedoch dank straffer Tanninstruktur erstaunlich frisch bleiben. Wer individuellen Wein­ tourismus liebt, besucht Pago de los Capellanes O Luar do Sil, eine kleine Bodega, die Degustationen unter Steineichen anbietet, während Kids in Hängematten Siesta halten.

Bierzo – Atlantikbrise und Schiefer

Ganz im Nord­ westen lehnt sich Bierzo an Galicien an. Hier gedeiht die Rebsorte Mencía auf dunklem Schiefer, was feinwürzige, kühle Rotweine mit Veilchen- und Graphitnoten ergibt. Wanderwege wie der „Camino de la Reina“ führen direkt durch die Weinberge; nach der Verkostung kannst du im Dorf Villafranca durch romanische Arkaden flanieren und knusprige botillo-Wurst kosten.

Rías Baixas – Albariño mit Meersalz

An Galiciens fjordähnlicher Küste hängen Albariño-Trauben an Pergolen hoch über dem Boden, damit Atlantik­ winde sie trocknen. Das Ergebnis ist ein Weißwein, der nach Pfirsich, Grapefruit und Meersalz schmeckt – wie ein flüssiger Strandtag. Setz dich in Cambados in eine marisquería und bestell frisch gekochte Percebes (Entenmuscheln); mit jedem Schluck Albariño scheint das Meer näher zu rücken.

Priorat & Montsant – Schiefergestein im wilden Katalonien

Südlich von Barcelona türmen sich zerklüftete Llicorella-Schieferhänge. Priorat bringt tiefmineralische Rotweine aus Garnacha und Carinyena hervor; rundherum umschließt der jüngere DO-Ring Montsant die steilen Terrassen. Wer mit dem Mietwagen über Serpentinen nach Scala Dei fährt, spürt sofort die raue Schönheit: kleine Kellereien, Steinmauern, Stille. Viele Winzer lassen dich selbst Trauben aus der Schieferkrume lesen und danach bei Olivenöl-Tapas verkosten.

Penedès und Cava – prickelnde Vielfalt

Nur 45 Minuten von Barcelona entfernt liegt das Herz des Schaumweins Cava. In der Unterstadt von Sant Sadurní d’Anoia wölben sich kilometerlange Keller­ gänge unter der Erde; Führungen enden meist mit einer Degustation von Brut-, Rosé- und Reserva-Stilen. Im hügeligen Ober-Penedès bauen biodynamische Betriebe zudem Chardonnay, Xarel-lo und Parellada zu stillen Weißen aus. Viele Spielplätze zwischen den Reben machen die Gegend ideal für Familienpicknicks.

Somontano – Pyrenäenluft im Glas

Am Fuß der aragonischen Vorpyrenäen überrascht Somontano mit einem Klimamix aus alpinen Nächten und mediterranen Tagen. Hier reifen internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Gewürztraminer neben autochthonem Parraleta. Im mittelalterlichen Alquézar kannst du nach der Verkostung Kanu fahren oder an den pasarelas – hölzernen Steigen – über türkisfarbene Schluchten wandern.

Jerez – Sherry und Flamenco

Ganz im Süden glitzert der weiße Albariza-Kalk wie Puderzucker. Zwischen Jerez de la Frontera, El Puerto und Sanlúcar reifen Palomino-Trauben für trockenen Fino, nussigen Amontillado oder tiefdunklen PX. Degustationen beginnen oft mit einem Glas Fino und enden im Patio, wo jemand spontan die Gitarre zupft. Unbedingt probieren: Tortillitas de camarones – hauchdünne Garnelenfladen, die salzige Sherry-Aromen spiegeln.

Castilla-La Mancha – Rebenmeer der Meseta

Die endlosen Ebenen um La Mancha galten lange als Quelle einfacher Mengenweine. Heute sorgen engagierte Winzer mit modernem Keller-Know-how und alten Airén- oder Tempranillo-Parzellen für aromatische Überraschungen zu moderaten Preisen. Einige Güter stellen Gästezimmer bereit, in denen du nach der Probe direkt ins Himmel­ bett fällst und morgens in der Stille der Steppe erwachst.

Inselgenuss – Kanaren & Balearen

Auf Teneriffa klettern Listán-Reben als sogenannte „Cordón Trenzado“ wie dicke Zöpfe über Vulkanböden, während auf Lanzarote jeder Stock in einer trichterförmigen Mulde sitzt, die ihn vor rauem Passatwind schützt. Die aufwendige Pflege schmeckst du im Glas: mineralisch, rauchig, fast salzig. Auf Mallorca wiederum baut die DO Binissalem charaktervolle Weine aus Manto Negro und Callet; viele Fincas öffnen ihre Innenhöfe für sommerliche Tapas-Abende unter Feigen­ bäumen.

Reise- und Verkostungstipps für deinen Wein-Roadtrip

Wenn du mehrere Regionen verbinden möchtest, beginne in Barcelona (Penedès, Priorat), fahre weiter nach La Rioja und Ribera del Duero, gleite im Tal des Duero westwärts bis Toro und Bierzo, fliege von Vigo nach Jerez oder Sevilla und beende die Tour mit einem Inselsprung auf die Kanaren. Fast alle Bodegas bieten deutsch­ sprachige Führungen an, wenn du vorab per E-Mail reservierst. Pack bequeme Schuhe für Kellerstiege, eine dünne Jacke – selbst im Hochsommer sind Fässerräume kühl – und genügend Gepäck­ platz: Bis zu zwölf Flaschen transportiert die Swiss in einem speziellen Weinkarton als Aufgabe­ gepäck zu moderaten Gebühren.

Fazit – Spanien im Glas, Spanien im Herzen

Ob du das Zedernholz-Aroma einer gereiften Rioja magst, den tropischen Fruchtschwung des Albariño liebst oder den salzigen Kick eines Fino schätzt: Spaniens Weinwelt ist so viel­ farbig wie seine Landschaften. Jeder Schluck erzählt von Wind, Sonne, Böden und Menschen, die ihre Tradition neu interpretieren. Plane deinen nächsten Trip, folge der Spur der Reben – und nimm nicht nur Flaschen, sondern Erinnerungen mit nach Hause.